Sprachlich-literarisch-künstlerisches Aufgabenfeld
Prof. Dr. Bernd Guggenberger
„Zuvielisation“.
Warum in der Beschleunigungsgesellschaft keiner mehr Zeit hat
Der signifikanteste und weitreichendste Unterschied zwischen der vormodernen Welt und Heute ist die Beschleunigung. Sie der Kern aller sonstigen Erfahrungen und Befindlichkeiten. Wenn alles schneller geschieht, wenn wir immer größere Räume in immer kürzeren Zeiteinheiten überwinden, wenn die Distanzen schrumpfen, wenn immer mehr Informationen, Bilder, Reize in immer kürzeren Intervallen auf uns einwirken, bedeutet dies vor allem: unsere Reizökonomie gerät außer Rand und Band. Die Reizüberflutung als Folge vervielfachter Geschwindigkeit raubt uns die intensive Zeitpräsenz: wir sind ortlos, immer im Transport. Die Welt wird zu groß, es geschieht zu viel gleichzeitig, die Bilder und Szenen, welche unsere Aufmerksamkeit absorbieren, wechseln schnell, als dass das einzelne Ereignis seine Gültigkeit in Form der Herstellung von Betroffenheit zu bewahren vermag. Und so verschwindet das Bild der Welt hinter den ungezählten Bildern der Welt. Was aber hält diese aus den Fugen geratene Welt dann noch zusammen?
Prof. Dr. Richard Hoppe-Sailer
„Das kann ich auch!“
Wozu brauchen wir Kunst?
In dieser Vorlesung soll der Frage nachgegangen werden, warum es spannend und sinnvoll sein kann, sich mit moderner Kunst zu beschäftigen.
Alle kennen die Vorurteile, die von dem berühmten „Das kann ich auch“ bis „Dafür wird Geld ausgegeben, aber für die wirklich wichtigen Dinge nicht“, reichen. Immer wieder sind wir vor den Ideen und den Werken zeitgenössischer Künstler irritiert. Teilweise erscheinen sie in unserer alltäglichen Umgebung, im Stadtbild oder in der Landschaft, und wir sind unsicher, ob es sich überhaupt um Kunst handelt. Dann wieder sind die Werke in Museen und Galerien zu sehen und umgeben sich dort mit dem Hauch des Besonderen und Elitären.
Was steckt dahinter? Warum ist Kunst scheinbar so alltäglich, zugleich aber so unverständlich? Soll man sich damit befassen? Hat Kunst eine Funktion für uns und unsere Gesellschaft?
Diese Fragen können natürlich nicht alle in einer Vorlesungsstunde beantwortet werden, aber vielleicht gelingt es, die so scheinbar unverständliche zeitgenössische Kunst etwas verständlicher zu machen und Neugierde zu wecken für die Produkte der Künstlerinnen und Künstler.
PD Dr. Hans Lösener
Worte und Werte.
Wie Sprache unsere Wahrnehmung beeinflusst
Die Veranstaltung wendet sich an alle, die sich für die Macht und Magie der Sprache interessieren. Im Alltag wird gewöhnlich zwischen objektiver und subjektiver Wirklichkeit unterschieden. Tatsächlich wird bei dieser Unterscheidung die Macht der Sprache über unsere Wahrnehmungen unterschätzt. Beispielsweise wird ein- und dieselbe Person auf einem Foto anders gesehen, wenn die Bildunterschrift sie einmal als Nobelpreisträger und einmal als Schwerverbrecher ausweist.
Im Mittelpunkt der Veranstaltung wird das alltägliche Phänomen der sprachlichen Umwertung und sein Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung stehen. Ausgehend von Ferdinand de Saussures Entdeckung des Zusammenhangs zwischen Wert und System in der Sprache soll an verschiedenen Beispielen gezeigt werden, wie Wörter durch systematische Bezüge umgewertet werden können und auf diese Weise Wahrnehmungsleistungen verändern. Sprachwissenschaftliche Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Dr. Burkhard Spinnen
Vom Mehrwert der Imagination
Ist der Deutschunterricht lebenswichtig?
Solange das Gymnasium mit beiden Beinen fest auf den überlieferten Vorstellungen und Werten der bildungsbürgerlichen Gesellschaft stand, erübrigte sich die Frage nach dem Sinn des Deutschunterrichts. Oder anders gesagt: Es gehörte sich nicht, sie zu stellen. Selbst literaturferne Eltern ermahnten ihre Kinder zur Lektüre, eingedenk der Überzeugung, man könne sich nur „hinauf“lesen. Die Kenntnis der kanonischen „Klassiker“ und die Interpretationspraxis als Kotau vor dem kulturellen Erbe waren nicht diskutierbare Bestandteile des kulturellen Selbstbildes etlicher Generationen.
Aber was ist jetzt? Heute gibt es so viele kulturelle Selbstbilder wie es TV-Sender oder Websites gibt. Der kulturellen Praxis ist die Verbindlichkeit ausgetrieben. Jeder tut und liest, was er will. Und wenn er hierorts keinen findet, der mittun oder mitlesen will, dann findet er ihn vielleicht am anderen Ende der Welt, nur einen Mausklick entfernt. Was soll in dieser Zeit der Deutschunterricht, das heißt: Was soll ein kleiner Kanon von Literatur in einer aussterbenden Sprache, wenn die Welt so voller Texte und wenn das Web so eine ungeheure Textmaschine ist? Was soll das wiederholte Interpretieren der immergleichen historischer Texte, da doch die große Aufgabe der Gegenwart darin besteht, globale Verständigung herzustellen?
Burkhard Spinnen, Schriftsteller und gelegentlich Lehrer für Autoren und Deutschlehrer, möchte mit allen Interessierten über die aktuelle Begründung des Deutschunterrichts sprechen. Dazu bringt er einen eigenen Vortrag mit, in dem er sich nach Kräften darüber beklagt, wie (nicht nur im Zuge des Zentralabiturs) das Fach Deutsch momentan zum Schlechten verändert wird. Anschließend gibt er Beispiele für eine „Tiefenbegründung“ der Beschäftigung mit Sprache und Literatur. Der größte Teil des Seminars soll offen für ein Gespräch sein.
Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg
Warum muss unsere Gesellschaft in förderungsbedürftige Hochkultur investieren?
Nordrhein-Westfalen wird kulturell geprägt durch eine Vielzahl von Einrichtungen, in denen anspruchsvolle Kunst gepflegt wird: städtische Bühnen, Opernhäuser, Symphonieorchester, Kunstakademien und Musikhochschulen, Museen und Sammlungen. Dass es all diese Einrichtungen gibt, ist keine Selbstverständlichkeit, Politische Einigungsprozesse sind notwendig, um Kulturförderung aus den Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen gewähren zu können. Hinter diesen politischen Einigungsprozessen stehen gesellschaftliche Debatten.
Ist es für unser Zusammenleben wichtig, dass die Symphonien Haydns, Mozarts und Beethovens regelmäßig in guter Qualität aufgeführt werden? Sollen wir uns die Wittener Tage für Neue Kammermusik leisten, ein Festival für hoch spezialisierte Avantgarde-Musik, das keineswegs durch hohen Besucheransturm glänzt? Ist es gerechtfertigt, dass Nordrhein-Westfalen drei Kunstakademien und fünf Musikhochschulen unterhält?
Um überzeugende Antworten auf diese Fragen geben zu können, müssen wir den Wert ermessen, den anspruchsvolle, zum Teil schwer verständliche und vermittlungsbedürftige Kunst für unser Leben hat. Nur dann können wir plausibel die neoliberale Idee entkräften, dass sich auch Kultur durch Angebot und Nachfrage regeln lasse.
Gesellschaftswissenschaftliches Aufgabenfeld
Prof. Dr. Brigitte Dorst
Eigene Ressourcen entdecken mithilfe von Therapie, Mentoring und Coaching
Für viele Menschen sind in seelischen Krisen, schwierigen Lebenssituationen und nach traumatischen Ereignissen die Zugänge zu den eigenen Ressourcen verschüttet. Auf dem Weg der Heilung und Bewältigung ist es daher wichtig, wieder Zugang zu finden zu den seelischen Kraftquellen und den eigenen Potentialen. Dabei geht es im tiefenpsychologischen Ansatz um den Dialog zwischen bewussten und unbewussten Teilen der Psyche.
Coaching und Mentoring sind spezielle Formen von Praxisberatung mit dem Ziel, Menschen im Prozess ihrer persönlichen Entwicklung, in Umbruchsituationen oder bei beruflichen Neuorientierungen zu unterstützen und zu begleiten. „Schwimmunterricht ist besser als Rettungsringe zu verteilen“.
Dr. Thomas Knopf
Zwischen Übernutzung und Nachhaltigkeit:
Vom Umgang mit Ressourcen in Vergangenheit und Gegenwart
Für menschliche Gemeinschaften war die Sicherstellung ihrer Versorgung mit Nahrung, aber auch mit Rohstoffen wie Holz und Erzen von Anbeginn ein zentrales Problem. Sie griffen dazu in die Natur ein, sei es durch Rodung von Wäldern, Anlage von Feldern oder Bergbau. Es gibt schon seit der Jungsteinzeit Hinweise auf eine Übernutzung der Umwelt; aber auch nachhaltige Verhaltensweisen scheinen vorzukommen. Es stellt sich die Frage, was die Menschen zu einem schädlichen bzw. einem ‚guten‘ Umgang mit der Umwelt bewogen hat und immer noch bewegt. Die Erklärungen der Wissenschaft pendeln dabei zwischen natürlichen und ökonomischen Zwängen und sozial oder religiös festgelegten Ordnungen. Ist der Mensch in der Lage dauerhaft umweltbewusst zu leben und seine Ressourcen nachhaltig zu bewirtschaften oder siegt das „egoistische Gen“ letztlich immer? Was zeigen uns historische Betrachtungen und was offenbart der Blick auf die heutige Gesellschaft? Zu diesen Fragen sollen Beispiele und Anregungen aus verschiedenen Wissenschaften von der Archäologie und Geschichte bis hin zur Psychologie vorgetragen und diskutiert werden.
Prof. Dr. Günter Mertins
Megacities in Lateinamerika:
Grenzen des Wachstums
Auch in Lateinamerika haben Megacities aufgrund ihrer enormen Bevölkerungskonzentration und rasanten Entwicklungsdynamik längst eine große Bedeutung als Knotenpunkte von Globalisierungsprozessen und politisch-wirtschaftlicher Steuerung gewonnen. Dabei überlagern sich die unterschiedlichsten ökonomischen, sozialen, politischen und ökologischen Prozesse, werden so schwer über- und durchschaubar. Zu den markantesten Entwicklungs-trends zählen die steigende physisch-ökologische und soziale Vulnerabilität (u.a. Überschwemmungen, Erdrutsche, Abwasser-/Müllentsorgung bzw. Armut, soziale und räumliche Segregation), die zunehmende Bedeutung der Informalität, von Gewalt und Unsicherheit und die damit wachsenden Probleme der Regier- und Steuerbarkeit.
„Grenzen des Wachstums“ beziehen sich daher nicht nur das Bevölkerungs- und das damit einhergehende, meist unkontrollierte, informelle Flächenwachstum, sondern auch auf die Koordination und Steuerung von politisch-administrativen und Planungsprozessen zwischen den Gemeinden, die eine Megacity-Agglomeration bilden. Diese Steuerung kann das Wachstum bestehender Megacities mindern (z.B. Rio de Janeiro, Mexiko-Stadt, Buenos Aires), aber auch die Attraktivität und damit das Wachstum zukünftiger Megacities fördern, z. B. Pôrto Alegre, Salvador/Bahia oder Manaus.
Prof. (em.) Dr. Dr. Hermann Steinkamp
Familie heute – Emotionale Ressource oder „Last der großen Hoffnungen“?
Die wieder zunehmende Sehnsucht heutiger Menschen nach einer Familie, die ihnen Geborgenheit schenkt und als Kraftquelle für den Alltag dient, scheint in Spannung zu stehen zu deutlichen Anzeichen ihres Funktionsverlusts, wenn nicht gar unübersehbarer Krisensymptome: wachsende Zahl von Ehescheidungen, Singlehaushalten und Alleinerziehenden, von homosexuellen Paaren, die Kinder adoptieren usw. Die Patchwork- Familie gilt einer breiten Öffentlichkeit als epochaler Prototyp einer Lebensform, die bis in die jüngere Gegenwart als normale Form des Zusammenlebens von Mutter, Vater und mehreren Kindern stabil erschien.
Nach neueren Untersuchungen bezeichnen mehr als die Hälfte der Erwachsenen die Familie als ihren wichtigsten Wert und laut jüngster Shell-Studie sind fast drei Viertel der Jugendlichen der Meinung, dass man eine Familie braucht, um glücklich zu leben.
Was immer einzelne meinen, wenn sie „Familie“ sagen: der Wunsch nach einer ‚heilen Familie‘ kann zu einem destruktiven Ideal geraten, wenn wir uns nicht der Bedingungen vergewissern, unter denen menschliches Zusammenleben, sei es in Bluts- oder Wahlverwandtschaften, gelingen kann.
Jun.-Prof. Dr. Cornel Zwierlein
Sintflut, Erdbeben, Feuersturm:
Wie Historiker die Geschichte der Naturkatastrophen in der Vormoderne schreiben können
Gerade wird die Welt von der Finanzkrise gebeutelt, in den letzten Jahren waren aber mindestens ebenso präsent die Katastrophen und Krisen, die durch Hurrikane (Kathrina), Tsunamis (Aceh), Überschwemmungen (Oder) und andere Natur-Extremereignisse hervorgerufen wurden. Das sind Ereignisse der Gegenwart – aber Geschichtswissenschaft ist immer ein Fach, das von Fragen und Problemen der Gegenwart abgeregt wird. Zunehmend fragen daher Historiker nach der Geschichte von vergangenen Naturkatastrophen – die bekannteste ist das Erdbeben von Lissabon 1755, bei dem dieses wirtschaftliche Zentrum des damaligen Europa fast ganz zerstört wurde. Aber es gab auch alltägliche Katastrophen wie die immer wiederkehrende Zerstörung der meist noch hölzern gebauten Städte durch gigantische Großbrände vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert – bekannte Brände sind London 1666, Hamburg 1842, Istanbul 1870. Wie gingen die Menschen der Vergangenheit mit den Katastrophen um, als es noch keine Frühwarnsysteme, keine Rettungshelikopter, kein Technisches Hilfswerk gab? Wie erfassten Theologen und Philosophen die Bedeutung der Katastrophen? Wie beugte man ihnen vor, wie ging man im Nachhinein mit dem Schaden um?
Mit welchen Quellen und Methoden arbeiten hier Historiker? Welchen Platz hat eine solche Geschichte von Naturkatastrophen in der allgemeinen Geschichte? – Diese Fragen, neben einigen allgemeinen Hinweisen zum Fach Geschichtswissenschaft, werden in einer Präsentation und im Dialog mit den Schülern behandelt.
Mathematisch-naturwissenschaftliches Aufgabenfeld
Dipl. Ing. Karin Arnold
Alternative Kraftstoffe:
Lösungen für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft?
Vor dem Hintergrund des Klimawandels und in Zeiten von immer knapper und immer teurer werdenden fossilen Ressourcen wie Erdöl rückt die Nutzung von alternativen Kraftstoffen in den Fokus der Öffentlichkeit. Die diskutierten Optionen reichen von den Biokraftstoffen der ersten Generation wie Biodiesel über „maßgeschneiderte“ Kraftstoffe bis hin zu den langfristigen Perspektiven Elektromobilität und Wasserstoff.
Der Beitrag gibt einen Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, alternative Treibstoffe im Straßenverkehr zu nutzen. Er bleibt aber nicht bei der Darstellung der technischen Optionen stehen, sondern ordnet diese in den übergreifenden Kontext ein: von besonderer Bedeutung für die Bewertung der unterschiedlichen Kraftstoffe ist die Kenntnis des sich dynamisch entwickelnden Energiesystems sowie der überhaupt nachhaltig nutzbaren Rohstoffpotenziale.
Es wird gezeigt, dass eine ausschließliche Betrachtung einzelner Sektoren nicht ausreichend ist, sondern nur die Betrachtung von Gesamtsystemen zu langfristig tragfähigen Lösungen führen kann.
Prof. Dr. Peter Gritzmann
U-Bahn fahren, Schiffe versenken und heiße Laptops:
Mathematische Probleme im Alltag
Zweiundvierzig? Die Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest? Eine Zahl? So sieht es jedenfalls Douglas Adams in seiner mehr als vollständigen fünfteiligen Trilogie „Per Anhalter durch die Galaxis“. Soweit würden nicht einmal die Mathematiker gehen, dass alles Zahl ist. Aber tatsächlich hat Mathematik – von vielen unbemerkt – fast alle Bereiche unseres Lebens durchdrungen.
Das Auskunftssystem der Deutschen Bahn löst es, und auch der Travelpilot eines PKW, aber wie findet man eigentlich einen kürzesten Weg von – sagen wir München nach Ahaus, oder per U-Bahn vom Forschungszentrum der TU München in Garching zur Theresienwiese? Wie kann man den Geheimnissen der Materie auf der Spur kommen, durch Blick in ihr Innerstes, und was hat das mit Medizin oder dem Schiffeversenken zu tun? Wie kann man (ganz im Sinne der Ökologie und der Technik) die Hitzeentwicklung in Computerchips reduzieren und wieso hilft da der Handlungsreisende?
Das sind die Hauptfragen, mit denen sich der Vortrag befassen wird – schonend! Und: keine Angst, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
Prof. Dr. Joachim Hüppe
Ausbeutung der Ressourcen bis zur Devastierung.
Die Entstehung der Heidelandschaften in Mitteleuropa
Unsere heutige Kulturlandschaft ist das Produkt einer langen Folge von natürlichen Prozessen und anthropogenen Einwirkungen. Sie ist aus einer ursprünglichen Laubwaldlandschaft hervorgegangen, wobei der Wald mit zunehmender Siedlungs- und Anbautätigkeit des Menschen immer mehr an Areal einbüßte.
Die Heidebauernwirtschaft mit ihrer typischen genossenschaftlichen Nutzung der trockenen und feuchten genossenschaftlichen Nutzung der trockenen und feuchten Zwergstrauchheiden zur Plaggengewinnung, zum Heidemähen, zur Heideschnuckenweide und zur Bienenwachs- und Honigproduktion funktionierte nur auf Kosten zunächst der Waldflächen und später auf Kosten der Heide selbst. Die spezifischen Betriebsformen des Heidebauerntums waren die essentiellen Bedingungen für die ständige Verjüngung und Ausbreitung der Heide zu Lasten des Waldes. Das Ausmaß der auf diese Weise entstandenen riesigen Heidegebiete in der Form, wie sie noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts vorhanden waren, ist heute kaum noch vorstellbar. Neben den großen baumlosen Hochmooren war die mehr oder wenige kahle Heide zum bestimmenden Element der mitteleuropäischen kahle Heide zum bestimmenden Element der mitteleuropäischen Pleistozän-Landschaften geworden.
So sind die Zwergstrauchheiden, die in den armen Sandgegenden bis ins 19. Jahrhundert hinein Grundlage der Vieh- und Ackerwirtschaft und damit Bestandteile der Kulturlandschaft gewesen waren, innerhalb weniger Menschengenerationen zum Ödland geworden.
Dipl. Biol. Frank Klingenstein
Wozu Botanische Gärten:
Öde Pflanzensammlungen von gestern oder genetische Ressourcen für morgen?
Botanische Gärten sind knapp 500 Jahre alt, sie entstammen dem Drang nach naturwissenschaftlichem Wissen, der Lust an fremder Exotik und der Wissensvermittlung an breite Bevölkerungsgeschichten (auch in Form von Schulgärten). Aber sind sie für den „Normalbürger“ nicht einfach nur riesige Ansammlungen nutzloser Pflanzen, ohne moderne menschliche Bedürfnisse nach „Action“ oder zumindest Information zu erfüllen? Wofür brauchen wir die ca. 100 Botanischen Gärten in Deutschland mit ihren 300.000 verschiedenen kultivierten Pflanzenarten?
Der Vortrag möchte ein wenig die Ideengeschichte Botanischer Gärten verdeutlichen, um darauf aufbauend das aktuelle Selbstverständnis und die Aufgaben Botanischer Gärten in Wissenschaft, Naturschutz und Umweltbildung darzustellen. Auch der Wandel des Selbstverständnisses, der sich in den letzten Jahren durch das kritische Hinterfragen der Notwendigkeit Botanischer Gärten und neue politisch-rechtliche Rahmenbedingungen (Rio- bzw. Biodiversitäts-Konvention) ergeben hat, soll exemplarisch zeigen, wie Interessengruppen mit gesellschaftlich-politischen Wandel umgehen können.
Kurz gesagt: Was sind eigentlich Botanische Gärten, was tun sie warum und für wen, wofür brauchen wir sie?
Prof. (em.) Dr.-Ing. Theodor Strobl
Wasser:
Ausgleich – Lösung des Verteilungsproblems für Heute und Morgen
Die Beziehungen zwischen dem Menschen und dem Wasser sind eingebettet in das Spannungsfeld zwischen dem Wasserdargebot der Natur und dem Wasserbedarf der Gesellschaft. Das Wasserdargebot ist auf der Erdoberfläche regional sehr unterschiedlich verteilt und unterliegt darüber hinaus starken jahreszeitlichen Schwankungen. Damit ergeben sich zwangsläufig Diskrepanzen zwischen den Realitäten der Natur und den Ansprüchen der Gesellschaft. Ein Ausgleich ist hier nur durch wasserwirtschaftliche Eingriffe in den natürlichen Wasserhaushalt möglich, die wiederum technische Einrichtungen zum Fassen, Heben, Leiten und Speichern des Wassers erfordern.
Stellvertretend für internationale Wasserausgleichmaßnahmen mag die Überleitung aus dem Flussgebiet des Ob im Norden Russlands nach Süden in die Region des Aralsees stehen. Diese Planungen sollten ein weiteres Austrocknen des Aralsees verhindern. Dieser hat heute nur noch ca. 40% seiner ursprünglichen Ausdehnung; der Wasserspiegel ist seit den 60er Jahren um mehr als 13 m gefallen. Dadurch sind ökologische Probleme unvorstellbaren Ausmaßes entstanden.
Ein weiteres Beispiel für eine Ausgleichsmaßnahme wäre die Verbindung des Roten mit dem Toten Meer in Palästina. Durch die Übernutzung der vorhandenen Wasserreserven sinkt der Wasserspiegel im Toten Meer ständig weiter ab – mit teilweise verheerenden Folgen für die Anwohner vor allem im südlichen Bereich des Toten Meeres. Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie erstellt, die die Möglichkeiten der Wasserzuführung aus dem Roten Meer aufzeigen soll.
Bei der Verbindung der Flusssysteme des Mains und der Donau standen in der Vergangenheit vor allem Aspekte des Verkehrs, der Schifffahrt im Vordergrund. Schon 793 versuchte Karl der Große bei Treuchtlichen beide Flusssysteme durch einen Kanal zu verbinden. Erst durch die Verbindung von wasserwirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Zielsetzungen wie Hochwasserschutz, Ausgleich von Gegensätzen im Wasserdargebot zwischen Nord- und Südbayern und der Schaffung eines leistungsfähigen Schifffahrtskanals konnte hier durch die Überleitung von Altmühl- und Donauwasser in das Regnitz – Main – Gebiet dieser alte Menschheitsraum verwirklicht werden. Heute werden aus dem wasserreichen Südbayern im Mittel 150 Mio. m3 nach Nordbayern übergeleitet. Das Altmühltal wird von den immer wieder auftretenden Hochwasserabflüssen unterhalb des Altmühlsees vor Überschwemmun-gen geschützt.
Die zur Diskussion stehenden Beispiele zeigen, dass Wasserausgleichmaßnahmen gravierende Eingriffe in die bestehende Landschaft bedeuten können. Es steht zur Frage, wie derartige Eingriffe bewertet und politisch durchgesetzt werden können.
Die Gesellschaft hat Angst vor Veränderungen und der Naturschutz bestärkt den Menschen in dieser Grundhaltung. Es gilt jedoch immer noch die griechische Weisheit: „Panta Rei – alles ist im Fluss“!