Michael Denhoff

Der Begriff „Avantgarde“, der in der Aufbruchzeit nach dem 2. Weltkrieg bis Anfang der 70er Jahre als Etikett den Komponisten angeheftet wurde, die im Geiste Schönbergs und Weberns zu „neuen Ufern“ aufbrachen und für das Publikum oftmals unverständliche Musikwerke schufen, zeugte von dem Glauben an einen ungebrochenen Fortschritt des musikalischen Vokabulars.

Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die stilistische Vielfalt dessen, was lebende Komponisten schaffen, unübersichtlich geworden. Der Begriff „Avantgarde“ scheint ausgestorben. Statt dessen wird neutraler von „Neuer Musik“, „Zeitgenössischer Musik“ oder auch „Jetzt-Musik“ gesprochen. Doch was sind die Kriterien, die Musik „neu“ oder „zeitgenössisch“ machen? Und welche gesellschaftliche Relevanz hat das, was Komponisten heute umtreibt? Ist die Kluft zwischen Schöpfern und Rezipienten aktueller Musik, wie sie schon Beethoven zu spüren bekam, nicht noch größer geworden?

Brauchen wir in Zeiten allgegenwärtiger Beschallung mit Musikkonserven vor allem der Pop-Musik, und einem Musik-Konsum via Ohrstöpsel rund um die Uhr, überhaupt noch die lebendige und aktive Auseinandersetzung mit Neuem und Unbekanntem?